Brinkers Brief vom 01. Juni 2024

Liebe Freunde,

wenn ein Video von fünf jungen Leuten eine Staatskrise auslöst, dann ist man in Deutschland anno 2024.

Wenn Messermorde und Gruppenvergewaltigungen achselzuckend hingenommen werden, dann ist man in Deutschland anno 2024.

Worum es beim ersten Punkt geht, muss ich vermutlich nicht ausführen; Sie müssten die letzten zwei Wochen schon auf der Rückseite des Mondes verbracht haben, um nichts vom „Sylt-Video“ mitbekommen zu haben.

Zunächst: Der Slogan, der in dem Video zu dem Song „L’amour toujours“ gegrölt wird, ist eklig, nicht zuletzt, weil er von Neonazis geprägt wurde. Intelligente Menschen müssten von alleine darauf kommen, dass man so etwas nicht skandieren sollte, aber auch intelligente Menschen sind nicht vor den Folgen des Alkoholkonsums gefeit. So weit, so dumm.

Was daraus in Medien und Politik gemacht wurde, spottet jedoch jeder Beschreibung: Bis hoch zum Bundespräsidenten fühlten sich Politiker berufen, das Gegröle von fünf Angetrunkenen zu kommentieren. Festveranstalter verbieten ihren DJs, das Lied zu spielen, die Polizei hält Autos an und beschlagnahmt Handys, weil die Fahrzeuginsassen angeblich die besagte Parole zu besagtem Lied gesungen haben sollen, eine RTL-Moderatorin meint, „das schlimmste Video aller Zeiten“ gesehen zu haben (als habe es zum Beispiel die Videos vom Hamas-Überfall auf Israel nicht gegeben), öffentlich-rechtliche Fernsehsender veröffentlichen wie weiland bei den Corona-Inzidenzen Karten, die zeigen, wo das „Döp“-Lied angeblich überall zu hören gewesen sein soll, und der seit den „Hitler-Tagebüchern“ besonders Nazi-besessene „Stern“ versteigt sich zu einem Titelbild, das sowohl in Wort als auch in Bild bedenkliche Rückschlüsse auf den Geisteszustand der zuständigen Redakteure nahelegt.

Und dabei blieb es nicht: Innerhalb weniger Stunden standen, teilweise sogar von Politikern verbreitet, die vollen Namen der Personen aus dem Video im Netz, teilweise ihre Anschriften und sogar ihre Arbeitgeber, und natürlich wurden ihre Gesichter auch vollkommen ungepixelt millionenfach verbreitet, es wurde gefordert, sie auszugrenzen und zu kündigen, und tatsächlich verloren mindestens zwei von ihnen bereits ihren Job.

Da war Deutschland mal wieder ganz bei sich, denn wenn es darum geht, Menschen, die sich nicht konform verhalten, öffentlich zu denunzieren und gesellschaftlich zu demütigen, gar nach Möglichkeit ihre wirtschaftliche Existenz zu vernichten, dann macht dem deutschen Volksempfinden niemand etwas vor, wie wir zuletzt bei der Hetze gegen Ungeimpfte erleben mussten. 

Kurz danach erhielt mein Fraktionskollege Marc Vallendar die Antwort des Senats auf eine Anfrage zu Gruppenvergewaltigungen in Berlin. Die schockierenden Fakten: Im Jahr 2023 gab es allein in Berlin 111 Fälle von Vergewaltigungen, bei denen mehr als ein Täter beteiligt waren. An jedem dritten Tag wurde in unserer Stadt eine Frau von mindestens zwei Tätern vergewaltigt (und hinzu kommen ja noch die „einfachen“ Vergewaltigungsfälle). 37 der 111 Opfer waren noch nicht einmal 18 Jahre alt, das jüngste nicht mal sechs, und 54 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen hatten keinen deutschen Pass.

Auch hier gab es einige mediale Aufregung, die aber bei weitem nicht die Drehzahl der Sylt-Empörung erreichte. Und einige Medien bemühten sich gar, die Zahlen zu relativieren – ein besonders abstoßendes Beispiel ist dieser Beitrag mit anschließendem Interview aus der RBB-Abendschau – sechs Minuten, in denen angestrengt versucht wird, die Problematik kleinzureden. Empörung aus der Politik hingegen blieb Fehlanzeige – kein Bundespräsident, kein Bundeskanzler, niemand aus der Bundesregierung fühlte sich berufen, dazu Stellung zu nehmen, ja nicht einmal aus dem Berliner Senat war auch nur das geringste und leiseste Wort zu hören.

Ein Land verfällt in kollektive Psychose, weil ein paar Luxuskids dummes Zeug grölen. Aber das hundertfache Leiden von Frauen, die Entsetzliches erleben mussten, löst bestenfalls ein mediales Lüftchen aus, und den Politikern der Altparteien geht es augenscheinlich gleich ganz am Allerwertesten vorbei. Was letztlich auch kein Wunder ist, denn diese Zustände haben ja sie selbst erst herbeigeführt. Die Zahlen zeigen auch das ganz deutlich: 2015 öffnete Merkel die deutschen Grenzen, und ab 2016 schossen plötzlich bundesweit die Deliktzahlen in die Höhe.

Es wäre schon ärgerlich genug, wenn Doppelmoral der einzige Grund für das Verhalten von Politik und Medien wäre. Aber dahinter steht noch eine ganz andere Motivation: Mit an den Haaren herbeigezogenen Aufregerthemen soll von den wirklich wichtigen Dingen abgelenkt werden. Erinnern Sie sich noch an die Bauernproteste Anfang des Jahres? Diese verschwanden ganz schnell aus den Nachrichten, als man die angebliche „Deportationskonferenz“ in Potsdam aus dem Hut zog. Zwar wurde diese mittlerweile sogar gerichtlich bestätigt als weitgehend erfunden entlarvt, aber ihren Zweck, die für die Ampelregierung immer bedrohlicheren Proteste der Landwirte aus den Nachrichten zu verdrängen (und natürlich die AfD vor den anstehenden Wahlen maximal zu schädigen), erfüllte sie voll und ganz.

Und so ist es auch beim „Sylt-Video“. Zwar gab es keinen besonderen politischen Skandal, der verdeckt werden musste, aber natürlich geht es auch hier darum, die Bürger von dem Chaos und dem Schaden abzulenken, den die Ampel in Deutschland anrichtet. Wer sich tagelang mit grölenden Twens (oder, um ein Beispiel aus dem letzten Jahr zu nehmen, mit der „Puffmama Layla“) beschäftigt, schaut weniger genau auf Scholz, Baerbock, Lindner und ihren Dilettantenstadl.

Und die nächste große Massenablenkung steht schon bevor: Am 14. Juni startet die Fußball-Europameisterschaft. Solche sportliche Großereignisse und die damit einhergehende Verschiebung der medialen Gewichtung werden traditionell und seit Jahrzehnten genutzt, um heimlich, still und leise Gesetzesvorhaben zu verabschieden, die zu anderen Zeiten unangenehme Berichterstattung auslösen würden. Man darf gespannt sein, welche Regelungen diesmal im medialen Windschatten durchgewinkt werden.

Bleiben Sie also aufmerksam! Glauben Sie nicht alles, was Ihnen von den Medien vorgesetzt wird, und hinterfragen Sie Vieles, wenn nicht alles. Aber zuallererst:

Haben Sie, trotz allem, ein schönes Wochenende!

Herzlichst, Ihre

Kristin Brinker