Brinkers Brief vom 14. Dezember 2024

Liebe Freunde,

in dieser Woche wurden gleich zwei Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer gewählt: Dietmar Woidke in Brandenburg zum gefühlt drölften Mal und Mario Voigt in Thüringen zum ersten Mal. Beide Wahlen waren durchaus bemerkenswert.

Starten wir in Brandenburg:

Woidke kann sich im Potsdamer Landtag auf eine Mehrheit aus SPD und der Retortenpartei BSW stützen. Eigentlich. Allerdings fehlten ihm im ersten Wahlgang gleich drei Stimmen aus dieser Koalition – eine veritable Ohrfeige. Obwohl drei der vier BSW-Minister und mehrere BSW-Abgeordnete ehemalige SPD-Mitglieder sind, kann sich der SPD-Regierungschef seiner eigenen Partei und seines Partners offenbar nicht sicher sein, was ihm das Regieren in den kommenden Jahren nicht leichter machen dürfte.

Im zweiten Wahlgang bekam Woidke dann nicht nur die Stimmen seiner Koalition, sondern auch vier weitere aus der Opposition; wahrscheinlich sogar fünf, denn der BSW-Abgeordnete Hornauf hatte zuvor kategorisch ausgeschlossen, Woidke wählen zu wollen.

Woher diese Stimmen nun kamen, bleibt das Geheimnis Derer, die sie abgegeben haben. Ich zumindest kann mir nicht vorstellen, dass die Kollegen von der brandenburgischen AfD-Fraktion für den ewigen Woidke gestimmt haben. Erstaunlich ist aber, dass die Möglichkeit, Woidke könne auch durch Stimmen der AfD ins Amt gekommen sein, niemanden aufzuregen scheint. Stimmen aus unserer Partei werden bekanntlich rundheraus und von Allen abgelehnt.

Noch bemerkenswerter aber war die MP-Wahl in Thüringen. Erwartet hatte man mehrere Wahlgänge, weil die Brombeer-Koalition keine eigene Mehrheit hat. 

Wir erinnern uns: Bei der Landtagswahl in Thüringen erzielte die AfD 32,8 Prozent der Stimmen und wurde damit mit großem Abstand stärkste Partei. Obwohl zusammen mit den 23,6 Prozent der CDU eine satte Mehrheit für konservative Politik möglich gewesen wäre, entschieden sich die durchgemerkelten Christdemokraten, mit den Wahlverlierern der SPD und mit Wagenknechts Truppe eine Koalition einzugehen, deren einziger Daseinszweck es ist, den Wahlsieger AfD nicht zum Zuge kommen zu lassen.

Diese Koalition hat allerdings den Schönheitsfehler, dass selbst diese drei Parteien zusammen noch immer nicht die Mehrheit der Abgeordneten im Erfurter Landtag stellen: Mit 44 Stimmen haben sie ebensoviele wie AfD und Linkspartei zusammengerechnet. Zur Wahl des Ministerpräsidenten werden aber 45 Stimmen benötigt. Woher also nehmen und nicht stehlen…?

Nun hat die CDU ja als ehernen Grundsatz nicht nur die unsägliche Brandmauer zur AfD, sondern auch den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei, der jegliche Zusammenarbeit mit der ehemaligen SED ausschließt. Eigentlich. Aber wenn man ein Ehrgeizling wie Voigt ist, kann man sich durch Grundsätze nicht aufhalten lassen. Also wurde fleißig in Hinterzimmern gemauschelt und, oh Überraschung!, Voigt bekam bereits im ersten Wahlgang 51 Stimmen und damit sieben Voten, die aller Wahrscheinlichkeit nach von den zwölf Abgeordneten der Linkspartei kamen.

Hier haben sich also buchstäblich alle (!) anderen Parteien zusammengetan, um den deutlichen Wahlsieger AfD von jeglicher Mitwirkungsmöglichkeit fernzuhalten. Thüringen hat jetzt eine zumindest nominell CDU-geführte Regierung, aber in der Praxis dürfte von dieser CDU-Führung nicht viel übrigbleiben: 23 CDU-Abgeordneten stehen zusammen 21 von BSW und SPD gegenüber, und da die Regierung für alle Gesetze und erst recht für den Landeshaushalt auf die Zustimmung der Linkspartei angewiesen ist, steht es im Spiel „Linke Parteien versus CDU“ 33:23. „CDU-geführt“? Wohl kaum.

Nun könnte man das unter Ost-Folklore abtun. Man könnte sogar glauben, in anderen Bundesländern und erst Recht im Bund würde die CDU nie soweit gehen, sich von linken und extrem linken Parteien abhängig zu machen. Das allerdings wäre mehr als naiv.

In Berlin zum Beispiel pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass Kai Wegner sich mit den Grünen viel besser versteht als mit der SPD und eigentlich auch viel lieber mit diesen koaliert hätte. Auch der angeblich so konservative Friedrich Merz lässt keine Gelegenheit aus, sich als Grünen-Freund zu outen. Wie sonst lässt sich erklären, dass Merz alle Unsinnsgesetze der Ampel, die die CDU doch angeblich so vehement ablehnt, unverändert lässt trotz aktueller möglicher Mehrheiten im Bundestag? Wie kommt Merz auf die Idee, sich Habeck als Wirtschaftsminister weiter vorstellen zu können? Und das BSW hat die CDU ohnehin schon als potentiellen Partner bezeichnet. Spätestens nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen kann auch kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Union aus Machtkalkül selbst vor einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht zurückschrecken wird. Das dröhnende Schweigen aus der Bundes-CDU zur Wahl in Thüringen spricht Bände.

In einem Satz ausgedrückt: Wer CDU wählt, wird linke und grüne Politik bekommen. Die neue „Nationale Front“ dämmert am Horizont herauf. Völker, hört die Signale!

Haben Sie, trotz allem, ein schönes Wochenende!

Herzlichst, Ihre

Kristin Brinker