Leider scheint der Senat keineswegs in angestrengte Betriebsamkeit zu verfallen; vielmehr steht man dort offensichtlich unter Schock. Bisher jedenfalls (ich schreibe dies am Freitagnachmittag) sind sämtliche Senatoren einschließlich des Finanzsenators und des Regierenden Bürgermeisters abgetaucht; kein Wörtchen ist bislang zu vernehmen.
Was aber kann realistisch getan werden? Wie gesagt: Aus eigener Kraft kann Berlin die Unsummen, die es für den Sanierungsbedarf benötigt, nicht aufbringen. Der Haushalt gibt das nicht her, und eine zusätzliche Neuverschuldung in dieser Höhe wäre mindestens ebenso verantwortungslos wie die Gleichgültigkeit in der Vergangenheit gegenüber den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen.
Das Billionenpaket in Verbindung mit der de-facto-Abschaffung der Schuldenbremse, das Union und SPD mit dem längst abgewählten Bundestag auf den Weg gebracht haben, mag helfen, aber auch das reicht bei weitem nicht aus, denn davon wollen 15 andere Bundesländer mit rund 80 Millionen Einwohnern auch etwas haben. Wir sind ja noch nicht wieder in der DDR, wo alles in die Hauptstadt gesteckt wurde.
Dem Senat wird also nichts anderes übrigbleiben, als neue und innovative Modelle zu wagen, vor allem im Bereich der Public-Private-Partnership, also der Zusammenarbeit von Öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Diese könnten zum Beispiel die Sanierung von Straßen und Brücken übernehmen und dafür über einen bestimmten Zeitraum, 30 Jahre vielleicht, Nutzungsgebühren vom Land Berlin erhalten. Landeseigene Gebäude könnten an private Unternehmen überschrieben werden, die dafür die Sanierung übernehmen und sie dann dem Land für einen verminderten Mietzins zur Verfügung stellen.
Das sind keine zu Ende gedachten Konzepte, natürlich nicht, aber in diese Richtung wird man gehen müssen, denn wie gesagt: Alleine kann Berlin diese gewaltige Aufgabe nicht stemmen. Und, bei aller Bescheidenheit: Es sind jedenfalls erheblich mehr Ideen, als bislang vom Senat zu hören sind…
Natürlich trifft Wegner & Co. nicht ausschließlich Schuld an der verfahrenen Situation. „Tatsache ist: Berlin zerbröselt, weil es seit mehreren Jahrzehnten vernachlässigt wird. Egal, ob nun CDU, SPD, Grüne oder Linke im Senat saßen, sie alle haben unsere Stadt sträflich vernachlässigt.“, schrieb ich vor einer Woche in meinem letzten Brief, und das bleibt auch heute richtig.
Aber die Warnungen waren da, nicht zuletzt von der Alternativen Hauptstadtfraktion.
Berlin hat die Chance verpasst, sich selbst am Zopf aus dem Sumpf zu ziehen. Vielleicht hätte das eine neue Aufbruchstimmung ausgelöst, anstatt in der Stadt das Gefühl zu verfestigen, dass sich eh nichts tut und alles stagniert und schlimmer wird.
Und auch wenn Wegner und seine Senatoren an der Misere nur wenig unmittelbare Schuld tragen – sie sind es, die JETZT in der Verantwortung stehen. Sie wollten diese Stadt regieren, jetzt müssen sie es auch tun. Die Politiker der Vergangenheit mögen ihnen den Brei eingebrockt haben, aber sie müssen ihn nun auslöffeln. Und die Berliner natürlich.
Wenn der Senat jetzt in vollem Wissen des Erforderlichen nicht handelt, und zwar schnell und entschlossen handelt, dann lädt er schwere Schuld auf sich. Dann sind die Vorgänge der letzten Wochen um die Ringbahnbrücke der A100 nur ein schwacher Vorgeschmack auf das zu erwartende Zerbröseln der Berliner Infrastruktur.
Um es mit Konrad Adenauer zu sagen: „Meine Damen und Herren – die Situation ist da!“
Haben Sie, trotz allem, ein schönes Wochenende!
Herzlichst, Ihre
Kristin Brinker