Brinkers Brief vom 14. September 2024

Liebe Freunde,

die Sommerpause ist vorüber (das Sommerwetter leider auch), und der politische Alltag hat uns wieder. In dieser Woche trat das Abgeordnetenhaus zum ersten Mal seit Ende Juni wieder zu einer Plenarsitzung zusammen. Wie in jeder Sitzung wurde zu Beginn die so genannte „Aktuelle Stunde“ behandelt.

Wie der Name schon sagt, soll in der Aktuellen Stunde ein Thema diskutiert werden, das den Berlinern gerade unter den Nägeln brennt. Und da gäbe es ja so Einiges, über das man debattieren sollte und müsste: Das Chaos beim Schulessen zum Beispiel, wo ein neuer Caterer mit der schieren Menge an Essen, die er liefern muss, schlicht überfordert ist. Ergebnis ist, dass die Versorgung der Berliner Schüler mit frischem und gutem Essen auch zwei Wochen nach dem Ende der Sommerferien nicht funktioniert.

Ein anderes Thema, das sich aufgedrängt hätte, ist die ausufernde Gewaltkriminalität in Berlin. Fast täglich müssen wir von Messerstechereien oder gar Schießereien lesen. Kürzlich wurde bekannt, dass in der Berliner Charité bereits bis August dieses Jahres mehr Messerverletzungen behandelt werden mussten als im gesamten Jahr 2023. Immer mehr Berliner fühlen sich in ihrer Heimatstadt nicht mehr sicher.

Man hätte auch darüber diskutieren können, dass Berlin für fast 200 Millionen Euro ein bestehendes Hotel in Lichtenberg und ein Bürogebäude in Westend zu Großunterkünften mit jeweils mehr als 1.000 Plätzen umbauen will, um den nicht enden wollenden Zustrom an Migranten irgendwie aufzufangen. Es wäre sicher interessant gewesen, vom Senat zu erfahren, wie lange die unkontrollierte Masseneinwanderung noch weitergehen soll und woher die ungezählten Millionen Euro kommen sollen, die für Unterbringung und Versorgung zehntausender Menschen aufgewendet werden müssen. 

Die AfD-Fraktion wollte genau dazu debattieren und über das, was wir in der Migrationspolitik von den Dänen und von Kopenhagen lernen können. Und es hätte noch so viele weitere mögliche Themen gegeben. Aber…

Am Ende setzte sich die schwarzrote Mehrheit durch und machte sich einen Albumtitel der Band Supertramp zu eigen: „Crisis? What Crisis?“ Echte Krisen scheint es für die Senatsparteien in Berlin nämlich nicht zu geben, und so hoben sie ihr Thema „100 Jahre IFA – eine Erfolgsgeschichte für Berlin“ auf die Tagesordnung.

Ja, wirklich.

Sie haben richtig gelesen.

Das „aktuelle Thema“, das wichtigste Problem Berlins in dieser Woche, war nach Ansicht von CDU und SPD eine Messe, die es seit hundert Jahren gibt und deren diesjährige Ausgabe zum Zeitpunkt der Plenarsitzung bereits seit zwei Tagen beendet war.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber meine Fraktionskollegen und ich waren einigermaßen fassungslos über diese Wahl. Es ist ja grundsätzlich nichts Neues, dass Regierungen Dinge, die in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht so richtig rund laufen, gern ignorieren und kleinreden, damit die Wähler davon so wenig wie möglich mitbekommen. Aber ein derart dreister und gleichzeitig plumper Versuch, drängende Probleme Berlins unter den Teppich zu kehren, ist zumindest mir noch nicht untergekommen.

Mit dieser plumpen Aktion haben CDU und SPD gezeigt, dass ihnen die drängendsten Probleme der Stadt, für deren Wohlergehen sie eigentlich sorgen sollten, entweder egal oder aber nicht einmal bekannt sind – und man weiß nicht, welche Variante die Schlimmere ist. Und natürlich ist solche Realitätsverweigerung auch ein Nährboden für Politikverdrossenheit.

Berliner, die verzweifelt eine Wohnung suchen, monatelang auf einen Termin beim Bürgeramt warten oder täglich gefühlte Ewigkeiten im Stau stehen, weil Straßenbaustellen sich über Monate hinziehen, müssen sich doch veralbert vorkommen, wenn die Regierung in einer AKTUELLEN STUNDE des Parlaments allen Ernstes über eine hundert Jahre alte Messe sprechen will. Noch deutlicher konnten CDU und SPD ihre Unfähigkeit und ihr mangelndes Interesse an echter, problemorientierter Politik gar nicht demonstrieren. Ein beschämendes Schauspiel.

Haben Sie ein, trotz allem, schönes Wochenende!

Herzlichst, Ihre

Kristin Brinker