Liebe Freunde,
nun habemus also nicht nur papam, sondern auch Kanzler. Zwei 69-Jährige sind in bedeutende Führungspositionen gewählt worden, der Eine auf Lebenszeit, der Andere für knapp vier Jahre – wenn‘s gut für ihn läuft. Dafür allerdings gibt es wenig Anzeichen, denn der Start war ein historisches Debakel. Erstmals konnte ein Bundeskanzlerkandidat nicht im ersten Wahlgang die Mehrheit seiner Koalition auf sich vereinen.
Das könnte man als Kleinigkeit abtun, denn schließlich wurde Merz ja im zweiten Wahlgang mit satter Mehrheit doch noch gewählt. Es ist aber mitnichten eine Petitesse. Es zeigt, wie wenig Führungsstärke Merz selbst auf seine Koalitionäre ausstrahlt und wie instabil die Schuko (Schuldenkoalition) in Wahrheit ist. Nicht nur Merz wurde mit der Pleite im ersten Wahlgang beschädigt, sondern seine gesamte Ministerriege startet mit einer schweren Hypothek in ihre Regierungszeit. Sie alle sind Merzgefallene.
Peinlich war aber nicht nur Merz‘ einstweilige Niederlage, sondern auch der Umgang damit. Offensichtlich hatte niemand bei Union und SPD auch nur in Erwägung gezogen, dass Merz die Kanzlermehrheit nicht erreichen könnte. In ihrer Selbstgerechtigkeit übersahen sie vollkommen die Risiken einer demokratischen Wahl, die hin und wieder anders ausgeht als erwartet.
So ähnelte der Bundestag nach der Verkündung des Wahlergebnisses über Stunden einem aufgeschreckten Hühnerhaufen. Niemand schien zu wissen, wie und vor allem wann es mit dem zweiten Wahlgang weitergehen konnte. Zuerst hieß es, am Dienstag könne kein zweiter Wahlgang erfolgen. Nachdem klar wurde, dass eine tage- oder wochenlange Hängepartie drohte, fand doch noch der zweite Wahlgang gleichtags statt.
Dass die Schuko, insbesondere die Union, sich nicht scheute, für die erforderliche Änderung der Geschäftsordnung auf die Stimmen der Linkspartei zurückzugreifen, ist ein interessanter Nebenaspekt. Denn eigentlich ist die Union nach wie vor an einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur ehemaligen SED gebunden. Dass Regeln für Merz aber bestenfalls dazu dienen, äußerst kreativ ausgelegt und verbogen zu werden, wenn es den eigenen Interessen dient, hat man ja schon bei der beispiellosen Grundgesetzänderung mithilfe des längst abgewählten alten Bundestages gesehen.
Aber auch nach der erfolgreichen Wahl von Merz ging es durcheinander weiter. Am Tag danach veröffentlichte der neue Innenminister Dobrindt eine Weisung an die Bundespolizei zum Umgang mit irregulären Grenzübertritten, mit der er einen mündlichen Erlass aus dem Jahr 2015 aufhob.
(Einschub: Man will es schlicht nicht fassen, dass seit zehn Jahren unsere Grenzen offen wie ein Scheunentor sind aufgrund einer mündlichen Anweisung des damaligen Innenministers. Zehn Jahre lang hätte es nur einer ebenfalls mündlichen Anweisung bedurft, um den ungehinderten Zustrom von Migranten über die EU-Grenzen nach Deutschland zu verhindern! Dabei hatte man uns doch immer belehrt, es habe keine Grenzöffnung gegeben und überhaupt könne man Grenzen nicht schließen. Auch hier sind die Deutschen von ihren Regierungen wieder einmal belogen worden.)
Wird nun alles besser, sind die Grenzen nun zu und hat die unkontrollierte Masseneinwanderung endlich ein Ende? Keineswegs. Dobrindt hat in seinem Schreiben nämlich nur darauf hingewiesen, dass auch Asylanten an den Grenzen abgewiesen werden können, nicht etwa, dass sie abzuweisen sind. Es handelt sich also wieder um klassische Wählertäuschung. Stichproben an den Grenzen, die unsere Bundesvorsitzende Alice Weidel und auch Journalisten von NIUS gemacht haben, zeigen jedenfalls keinerlei erhöhte Kontrolltätigkeit.
Kaum war diese Meldung veröffentlicht, kam schon die nächste: Merz habe, so berichtete die „WELT“, aufgrund der Migrationskrise den nationalen Notstand erklärt und damit die Dublin-Vereinbarung über die Verteilung von Migranten in der EU ausgesetzt. Nanu?, dachte man sich – der wird doch nicht etwa ernsthaft durchgreifen und dem Wahnsinn ein Ende machen? Nein, natürlich nicht. Keine Stunde verging, bevor die Ausrufung des Notstandes wieder dementiert wurde. Kein energisches Durchgreifen also, nirgendwo.
Wohl selten, wahrscheinlich nie, hat ein Kanzler seine Amtszeit mit einer derartigen Serie von Pleiten, Pech und Pannen in so kurzer Zeit begonnen.
Natürlich sollte man auch Merz die traditionellen 100 Tage Zeit geben, bevor man ein erstes Zeugnis ausstellt. Aber für die Zukunft unseres Landes bedeutet das alles nichts Gutes. Union und SPD haben politisch-inhaltlich nichts gemeinsam. Alles, was sie und ihre Koalition zusammenhält, ist die Gier nach Macht und Posten sowie die Angst vor Neuwahlen. Mit einer echten Politikwende sollte man also besser nicht rechnen.
Daher: Lassen Sie sich nichts vormachen, wenn in den nächsten Tagen und Wochen Erfolgsmeldungen über die Medien lanciert werden. Wie ein wirklich großer Kanzler einst sagte: „Wichtig ist, was hinten rauskommt.“ Wenn Merz tatsächlich eine echte Politikwende hinbekommt, insbesondere im Bereich der Migration, dann gebührt ihm Respekt. Allein – mir fehlt der Glaube. Zu holprig, zu chaotisch und zu amateurhaft war der Start der Merzgefallenen.
Haben Sie, trotz allem, ein schönes Wochenende!
Herzlichst, Ihre
Kristin Brinker