Brinkers Brief vom 21. März 2025

Das ist eine, vorsichtig ausgedrückt, seltsame Auffassung von Meinungsfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht (die Älteren erinnern sich vielleicht an diese früher mal hochangesehene Institution) Merz & Konsorten noch vor einigen Jahren schallend um die Ohren geschlagen hätte. Heute hingegen schreiben die so etwas Irres vollkommen ungeniert in einen Koalitionsvertrag. Wo sind wir eigentlich hingekommen? Und wer entscheidet, was „falsche“ Tatsachenbehauptungen sind? Ein Wahrheitsministerium à la George Orwell?

Nun könnte man spaßeshalber darauf hinweisen, dass bei solcher Rechtsauffassung Personen wie Jens Spahn („Mit dem Wissen von heute würden wir die Geschäfte nicht mehr schließen“), Karl Lauterbach („Die Coronaimpfung ist nebenwirkungsfrei“) oder auch Herr Merz („An meinem ersten Tag im Amt des Bundeskanzlers werde ich das Bundesinnenministerium auf dem Wege der Richtlinienkompetenz anweisen, an allen Staatsgrenzen Kontrollen durchzuführen und alle Personen abzuweisen, die nicht über gültige Einreisedokumente oder über die europäische Freizügigkeit verfügen“) schon mit einem Bein im Gefängnis stehen, aber erstens waren das ja Lügen der „Richtigen“ und „Guten“, die ganz sicher nicht verfolgt werden, und zweitens ist die Lage für Scherze viel zu ernst.

Der schwarzrote Koalitionsvertrag ist nichts anderes als ein Großangriff des Staates auf die Freiheitsrechte der Bürger, auf freie Meinungsäußerung und auf das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Freiheit wird es bald nur noch für Diejenigen geben, die sich im Sinne der Regierung äußern, die so heizen, wie es von der Regierung gewünscht ist, die ihre Autos so antreiben, wie es von der Regierung gewünscht ist, und die mit staatlicher und privater Spitzelei und Petzerei, mit Denk- und Redeverboten und sonstigen immer engmaschigeren Vorschriften kein Problem haben, kurz: Die Mitläufer und Mitmacher des sich anbahnenden Regimes.

Der Ton ist klar vorgegeben: Wer dagegen ist, ist ein Feind von „Unseredemokratie“. Der Koalitionsvertrag sagt es überdeutlich: „Wem eine wirklich glückliche Zukunft unseres Volkes am Herzen liegt, muss (…) vorbehaltlos zustimmen. Aufgabe (…) ist es, einen rücksichtslosen Kampf gegen alle Schädlinge, Saboteure und Banditen zu führen und damit unsere demokratische Entwicklung, unsere Friedenswirtschaft und unseren Wirtschaftsplan zu sichern.“

Kleiner Scherz.

Das steht so nicht im Koalitionsvertrag, auch wenn einiges in dem Machwerk durchaus so gemeint ist. Aber geben Sie zu – Sie haben das für absolut möglich gehalten, weil es genau der Duktus und die Wortwahl sind, die auch heute wieder in Mode sind, wenn es darum geht, gegen Andersdenkende vorzugehen.

Tatsächlich begründete mit diesen Worten der erste Innenminister der DDR, Karl Steinhoff, 1950 in der Volkskammer den Gesetzentwurf zur Schaffung des Ministeriums für Staatssicherheit. Steinhoff war vor seiner SED-Zeit übrigens in der SPD. Und die DDR-CDU stimmte dem Gesetz damals zu. Wie heißt es so schön? „Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Deutschland, so befürchte ich, ist auf dem Weg in eine solche Wiederholung.

Haben Sie, trotz allem, ein schönes Wochenende!

Herzlichst, Ihre

Kristin Brinker